- Equal Care: wie die EU eine geschlechtergerechte Aufteilung von Sorgearbeit fördert
- Die europäische Strategie für Pflege und Betreuung
- Care-Gehalt: Sorgearbeit von pflegenden Angehörigen angemessen bezahlen
- Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
- Beratungsangebote für (erwerbstätige) pflegende Angehörige
- Gleichstellungspolitische Ziele und Anforderungen an Vereinbarkeitspolitik
- Beteiligung von Vätern an Familienarbeit
- Kindertagesbetreuung
Equal Care: wie die EU eine geschlechtergerechte Aufteilung von Sorgearbeit fördert
Die Richtlinie 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige ist am 1. August 2019 in Kraft getreten. Sie regelt EU-weite Mindeststandards zu Freistellungen für Sorgearbeit sowie flexiblen Arbeitszeiten. Dadurch soll eine geschlechtergerechtere Aufteilung von unbezahlter Sorgearbeit unterstützt werden.
Das Dossier führt in den Begriff der Sorgearbeit ein und zeigt welche Auswirkungen ihre Aufteilung auf die sozioökonomische Gleichstellung der Geschlechter hat. Im Weiteren gibt das Dossier einen Überblick über die Inhalte und Ziele der Richtlinie mit einem Fokus auf ihre gleichstellungspolitische Dimension. Eine erste Einführung erfolgt im Vorwort von Irena Moozova, stellvertretende Generaldirektorin – Internationale Dimension der Justizpolitik, Rechtsstaatlichkeit und Gleichstellung in der Generaldirektion Justiz bei der Europäischen Kommission. Mit dabei sind außerdem Beiträge von Attila Bőhm (COFACE Families Europe) mit einer zivilgesellschaftlichen Perspektive auf die Richtlinie und von Caroline de la Porte (Copenhagen Business School) zu Bedingungen für eine höhere Inanspruchnahme der Freistellungen durch Väter.
Die europäische Strategie für Pflege und Betreuung
Ende 2022 hat die Europäische Union eine europaweite Strategie für Pflege und Betreuung verabschiedet. Diese soll die unterschiedlichen Bedarfe und Bedürfnisse sowohl von Personen mit Sorgeverantwortung als auch von sorgebedürftigen Menschen, von der Kinderbetreuung bis zur Langzeitpflege, abdecken. Ziel dabei ist es, die Geschlechtergleichstellung und die soziale Gerechtigkeit zu stärken.Care-Gehalt: Sorgearbeit von pflegenden Angehörigen angemessen bezahlen
Eine interne Recherche der Beobachtungsstelle (nicht veröffentlicht) von November 2022 hat sich mit dem sogenannten Care-Gehalt beschäftigt. Dabei handelt es sich um eine finanzielle Leistung für pflegende Angehörige, die sich in der Theorie an einer 20- bis 40-Stunden-Woche auf Basis des Mindestlohns orientiert. Demgegenüber fällt die Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige als finanzielle Leistung geringer aus, da sich diese am Elterngeld orientiert und 65 bis 100 Prozent des Vorjahresnettogehalts umfassen kann (DIW Berlin 2022: 4).
Die Recherche ergab, dass das Care-Gehalt in drei europäischen Ländern bereits teilweise angeboten wird: Seit 2019 können in Österreich im Bundesland Burgenland pflegende Angehörige im sogenannte Burgenland-Modell nach einem Grundausbildungskurs angestellt werden und ein Care-Gehalt beziehen. In Dänemark können Personen, die einen schwer kranken, sterbenden oder behinderten Angehörigen pflegen, eine Pflegevergütung beziehen. Die Höhe ist von verschiedenen Faktoren abhängigund wird von der Gemeinde, in der die Pflege stattfindet, ausgezahlt. In der Schweiz können sich pflegende Angehörige von der Caritas in den Kantonen Luzern und Zug anstellen lassen. Ab 2023 wird eine Ausweitung auf weitere Kantone angestrebt. Bei Solicare existiert dieses Modell bereits in 16 weiteren Kantonen. Bei beiden Schweizer Modellen werden die pflegenden Angehörigen durch diplomierte Pflegefachpersonen regelmäßig zur Qualitätssicherung besucht. Zudem muss der Wohnsitz des pflegenden Angehörigen in einem der zugelassenen Kantonen liegen. In Deutschland hat sich der Sozialverband VdK mit dem Thema in einer Studie beschäftigt. Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist jedoch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten für pflegende Angehörige geplant.
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Immer mehr Menschen sind berufstätig und kümmern sich gleichzeitig um pflegebedürftige Kinder oder Angehörige. Doch wie unterstützt Politik die Menschen dabei, diese Doppelbelastung unter einen Hut zu bekommen? Die Beobachtungsstelle geht dieser Frage in ihren umfangreichen Veröffentlichungen zu diesem Thema nach.
Beratungsangebote für (erwerbstätige) pflegende Angehörige
In Europa wird der größte Anteil der pflegebedürftigen Menschen zu Hause von (pflegenden) Angehörigen unterstützt und gepflegt – eine oftmals kräftezehrende Aufgabe, die durch die Coronavirus-Pandemie und zeitweise vielen geschlossenen Unterstützungsangeboten an Intensität zugenommen hat. Vielen pflegenden Angehörigen fällt es schwer sich abzugrenzen oder Hilfe anzufordern, wenn sie mit der Situation überfordert sind. Daher sind sie auch auf Informationen und Beratung rund um die Pflege angewiesen. Daher sind gute Beratungsstrukturen erforderlich, die präventiv aber auch in einer Überlastungssituation, pflegende Angehörige dabei unterstützen, ihr eigenes Leben – auch neben Erwerbsarbeit und Kindererziehung – und die informelle Pflege gut zu gestalten und zu organisieren.2018 hat die Beobachtungsstelle ein Arbeitspapier veröffentlicht, dass einen Überblick über Beratungsangebote und -strukturen im Bereich Alter und Pflege in den EU-Mitgliedstaaten Schweden, Österreich, Frankreich und Schottland (als Teil des Vereinigten Königreichs) gibt.
Eine im Juli 2021 erstellte Übersicht der Beobachtungsstelle (nicht veröffentlicht) zeigt zudem, dass in Österreich und der Schweiz eine Vielzahl an Informations- und Beratungsangeboten für pflegende Angehörige bestehen. Beratungsstrukturen, die eine Vereinbarkeit unterstützen, lassen sich vermehrt in der Schweiz finden. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass der Bedarf in der Schweiz höher ist, da der Anteil erwerbstätiger pflegender Angehöriger im Vergleich zu Österreich erheblich größer ist. Im Fokus der Mehrheit der Beratungsangebote für pflegende Angehörige stehen allerdings die Pflege(situation), die Behinderung oder Erkrankung als Auslöser für den Beratungsbedarf.
Gleichstellungspolitische Ziele und Anforderungen an Vereinbarkeitspolitik
In der Debatte um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf lautet die implizite Annahme häufig, was die Vereinbarkeit fördere, diene auch der Geschlechtergerechtigkeit. Diese Annahme gilt es in dieser Pauschalität zu hinterfragen. Beispielsweise ermöglichen lange und unbezahlte Freistellungsmöglichkeiten zwar mehr Zeit für die Familie. Aufgrund bestehender Lohnunterschiede sowie gesellschaftlicher Normen und Wertvorstellungen sind es jedoch überwiegend Frauen*, die von diesen Instrumenten Gebrauch machen. Die Folge sind lange Erwerbsunterbrechungen, geringe berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und eine Lohn- und Rentenlücke. Es kommt daher auf die konkrete Ausgestaltung von vereinbarkeitspolitischen Instrumenten an. Sie sind entscheidend dafür, wie Vereinbarkeitspolitik auf die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit und die Geschlechtergleichstellung wirken. Welche Ziele und Anforderungen Vereinbarkeitspolitik deswegen aus gleichstellungspolitischer Perspektive erfüllen sollte, zeigt die Arbeit der Beobachtungsstelle.Beteiligung von Vätern an Familienarbeit
Väter wollen und sollen sich mehr an Familienarbeit beteiligen. Auch das Vereinbarkeitspaket der Europäischen Kommission hat zum Ziel, die Beteiligung von Vätern an Familienarbeit zu fördern. In den europäischen Staaten bestehen vielfältige Politikansätze, um dies zu unterstützen: Vätermonate mit Lohnersatzleistung, Flexibilität bei der Inanspruchnahme und Vaterschaftsfreistellung rund um die Geburt. Wie diese ausgestaltet werden können und welche Wirkung sie entfalten, zeigt die Arbeit der Beobachtungsstelle.